Kurz: Der Staat bin ich

Sebastian Kurz war nicht nur der jüngste Kanzler der 2. Republik, er erreichte 2017 den ersten Platz seiner „neuen“ Volkspartei mit einer in Österreich ungewohnt riesigen und durchinszenierten Medien- und Wahlkampagne. Diese setzte sich während der Regierungszeit mittels Message Control zunächst erfolgreich fort. Seit dem Misstrauensvotum allerdings stottert diese Maschine. Eine Analyse

1) Kurz ist das Programm

Die ÖVP ist eine der 2 Volksparteien, die Österreich seit 1945 nachhaltig politisch geprägt haben. In ihrem Grundsatzprogramm beruft sie sich auf christliche, liberale und konservative Werte, stellt die Familie in den Mittelpunkt ihres Wirkens. Sie beruft sich wirtschaftlich auf die ökosoziale Marktwirtschaft. Allein, die neue Volkspartei lässt hier ideologisch zu wünschen übrig. Die Themen werden willkürlicher, verlassen ideologisch die christlich soziale Basis (wie Beispielsweise bei Migration oder anderen gesellschaftspolitischen Themen), fordern teilweise den liberalen Rechtsstaat heraus und betreten das populäre Feld des Populismus, sodass es fast unmöglich ist, ins Detail bzw in die Tiefe zu gehen.
Dabei ist Sebastian Kurz fast einem Personenkult gleich auch das Programm. Er gibt den Takt vor, er ist die Bildersprache der Partei, ohne ihn funktioniert die neue Volkspartei nicht. Diese ideologiebefreite oder vielleicht besser gesagt ideologieelastische Politik ist ein klassisches Zeichen des Populismus. Sie richtet sich nach der Stimmung im Volk (daher ist auch das Thema Klimaschutz sehr schwierig umzusetzen) und hat als Lösung immer Sebastian Kurz parat. Dabei nimmt Kurz auch die nicht unproblematische Rolle eines modernen absolutistischen Staatsführers ein: Dinge werden gemacht, weil er sie so entscheidet, Koalitionen sind eher lästig, das Parlament „darf“ aus seiner Sicht arbeiten. Nicht zu vergessen, dass er nach dem Misstrauensvotum die Unterscheidung von Parlament und dem Volk machte. Eine Aussage, die relativ unwidersprochen im Raum stehen blieb. Und die sich im gesellschaftlichen Diskurs immer mehr manifestiert

2) Kurz und die Demokratie

Die parlamentarische Demokratie ist nicht das Liebkind von Sebastian Kurz. Im aktuellen Wahlkampf wird er nicht müde, immer wieder zu betonen, eine Minderheitsregierung anzustreben, da so sein erfolgreicher Weg am effizientesten fortgesetzt werden könnte. Unmittelbar nach dem Misstrauensvotum sprach er mehr oder weniger davon, dass Koalitionen lästig seien. Daher wird er auch als Kanzler plakatiert, der er wohlgemerkt nicht mehr ist. Während seiner Regierungszeit begann in Wahrheit der Abbau demokratischer Grundinstitutionen. Die Frage ist, ob dabei die FPÖ ein willfähriger Partner für diese eigenen politischen Vorstellungen war oder ob ihm dies teilweise ausser Kontrolle geraten ist. Man erinnere sich an den Sager von Herbert Kickl, das Recht habe der Politik zu folgen und nicht umgekehrt. Dieser Ausspruch blieb von Kurz relativ unwidersprochen.

Das nährt den Verdacht, dass die neue Volkspartei autoritäre Züge in ihrer Ausgestaltung der Demokratie befürwortet. Diese aber geschickt als FPÖ Manöver in der Regierungszeit „getarnt“ wurden. Der politische Kompromiss ist der wesentliche Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie. Kurz scheint dies nicht als Teil seines politischen Handelns zu sehen. Das merkt man auch in seiner Gesprächsbereitschaft und Austausch mit den Vorsitzenden der Parlamentsparteien. Er fand de facto nicht statt

3) Kurz und die Medien

Ein wesentliches Merkmal des Populismus von Sebastian Kurz ist, dass er es geschafft hat, die öffentliche Meinung zu einer veröffentlichten Meinung zu machen. In der ersten Phase seiner Obmannschaft konnte man fast eine blinde Euphorie für ihn in der medialen Berichterstattung erkennen – und das nicht nur im Boulevard sondern in seriösen in- wie ausländischen Medien. Er wurde wie ein Messias gefeiert, kritische Berichterstattung ließ zu wünschen übrig. Vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass Österreich in seiner Kleinheit international durch die Person Kurz zum Thema wurde –  verstärkt durch seinen späteren Wahlsieg und der damals als eine der jüngsten Kanzlerschaften der Welt (!).

Dieser Spin des erfolgreichen, neuen, nationalkonservativen Politikers und Staatschefs wurde auch in den Sozialen Medien erfolgreich beworben und propagiert. Dabei kam und kommt es gar nicht auf den unmittelbaren Wahrheitsgehalt seiner Aussagen an –  die Jugend, der Erneuerungswille und der Fokus um das Wohl Österreichs wurden erfolgreich in den Köpfen der Menschen platziert. (Berechtigte) Kritik vom politischen Gegner wurde und wird sofort mit Gegenattacken entgegnet nach dem (Haider) Motto „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist“.

Damit wird ein Opfermythos geschaffen, der sehr stark an christliche Motive erinnert. Seine Sprache und sein Wirken erinnert oft mehr an einen religiösen Führer denn an Politik. Auch ein Werkzeug des Populismus. Kurz ist es gelungen, klassische rechte Themen, die man bis dato von der FPÖ gewohnt war, so zu transportieren, dass sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Und zwar nicht als Problemstellung sondern als politische Lösung. Siehe seine Haltung zu Migration, Asyl und Integration.  Dabei touchiert(e) er immer wieder die Fundamente des liberalen Rechtsstaates und schaffte es, öffentliche Meinung zugunsten seiner veröffentlichten Meinung zu machen.

Generell muss man sagen, dass in der Oberflächlichkeit der Politik von Sebastian Kurz die Stärke liegt. Der politische Gegner kann teilweise nicht mehr nachkommen, seine Aussagen oder Ansichten zu widerlegen, da Kurz sich da schon im nächsten Argumentationsstrang befindet.

4) Fazit

Für Kurz wird die Zeit nach den Wahlen schwierig. Bleibt er unter 35% (was einen Zugewinn von fast 4% bedeuten würde), wäre es für ihn eine persönliche Niederlage. Die Koalitionsverhandlungen wären nicht nur deshalb schon schwierig sondern auch die Tatsache, dass Kurz viel Zugeständnisse und Kompromisse eingehen müsste. Vielleicht ist Kurz am Ende trotz Sieges nicht der nächste Kanzler. Man darf jedenfalls gespannt sein.

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