Der Volkstribun
Einer Partei wie der FPÖ konnte nichts Besseres passieren, als die Ereignisse der letzten Tage. Sie kann wieder „opponieren“. Und in ihrem Verhalten zeigt sie einmal mehr auf, wie rechtspopulistisch sie agiert und radikale Elemente ihre Politik bestimmen. Daran kann auch das „angenehme“ Sommergespräch mit Norbert Hofer nichts ändern.
Eine Nachanalyse
1) Strache
Norbert Hofer ist momentan der beste Mann für den Job. Er wirkt sehr ruhig, besonnen und versucht die Wogen nach innen wie auch außen auf seine „sanfte“ Art zu glätten. Gemeinsam mit Herbert Kickl, dem sogenannten Mann fürs Grobe und Heinz Christian Strache, dem Zugpferd der FPÖ, hat er die FPÖ in die Koalition geführt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er und viele andere FPÖler sehr tüpiert auf die Enthüllungen des Ibiza Videos reagiert haben. Die jahrzehntelange politische Vorbereitung, aus dem rechten Schmuddeloppositionseck in eine Regierungsbeteiligung zu kommen, war innerhalb eines Tages zerstört. Inklusive der dazugehörigen Machtinsignien. Dennoch scheint die FPÖ auf Strache nicht verzichten zu können.
Strache erinnert an den Volkstribun in der römischen Republik, der die Plebejer gegen die Patrizier, sprich die da unten gegen die die da oben verteidigt. Strache ist in Wahrheit gerade jetzt wieder in seinem Element: er infantilisiert sich und das, was mit und um ihn passiert. Damit macht er sich klein und schwach, während der Gegner übermächtig und stark wird. Das wollen seine Wähler, weil sie sich damit identifizieren können. Die vermeintliche Benachteiligung am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft, etc wird so perfekt auf Strache projiziert. Im antiken Rom war der Volkstribun übrigens sakrosankt. Ein Umstand, mit dem die FPÖ sich noch oft auseinandersetzen wird müssen.
2) Ibiza Video
Das Ibiza Video hat eine neue Dimension in der politischen Kommunikation beschritten. Die Fundamente des Rechtsstaates und der liberalen Demokratie wurden hier mehrfach in Frage gestellt mit Aussicht ihrer Unterwanderung. Diese hochsensiblen Themen und Inhalte werden aber von beiden (!) ehemaligen Regierungspartnern in einen öffentlichen Diskurs eingebracht, der nicht nur oberflächlich ist und populistisch aufbereitet ist, sondern ständig eine Attacke auf den Rechtsstaat beinhaltet. Das halte ich für eine der gefährlichsten Entwicklungen. Warum? Weil die WählerInnen sich inhaltlich nicht auskennen.
Müssen sie auch nicht, denn dafür gibt es Top (Verfassungs)juristen in diesem Land. ABER: mit der ständigen Infragestellung der Justiz, ihrer Unabhängigkeit und Objektivität bleibt am Ende ein rational nicht zu erklärendes Misstrauen seitens der Wähler gegenüber dem Rechtsstaat hängen. Und diese Infragestellung von demokratischen Institutionen ist ein Merkmal von Rechtsextremismus.
Da komme ich zu einem Teil, der im Sommergespräch eher untergegangen ist:
3) Was ist die FPÖ ideologisch?
Der Historikerbericht wird bei den Wahlen keinerlei Auswirkungen auf das Wählerverhalten haben. Jedoch ist interessant, wie er sich ausgestaltet. Warum er nach Israel geschickt werden muss, ist nicht logisch. Hier geht es offensichtlich darum, sich vom „Verdacht“ des Antisemitismus zu befreien – gleichzeitig darf man aber nicht vergessen, dass die FPÖ mit Israel die Haltung zum Islamismus verbindet. Der Antislamismus löst also bei der FPÖ den Antisemitismus ab, ohne dass der verschwindet. Darüberhinaus verwenden Exponenten der FPÖ in letzter Zeit immer mehr den Begriff „national-liberal“, was ein Bekenntnis zur Tradition der 1848er Revolution darstellt. Die Rhetorik wiederum von Vertretern bzw Beratern der Partei lässt teilweise erschaudern und ist ziemlich brutal: „Anschlag“, „Einmarsch“ sind da nur zwei Beispiele, die Teile einer extremen Sprache geworden sind. Meister darin ist übrigens Herbert Kickl. Interessant ist auch, dass im FPÖ Parteiprogramm der Begriff „Volksgemeinschaft“ im Bezug auf Österreich zu finden ist. Dieser Terminus ist ein Begriff aus der Nazizeit und unterstreicht den völkisch nationalen Anspruch der FPÖ – siehe Migrationspolitik.
Ob die FPÖ aus ihrer Sicht rechtsextrem oder rechtsradikal ist, wissen wir immer noch nicht. (Und werden es auch nie erfahren)
4) Fazit
Die FPÖ hat mittlerweile eine Stammwahlklientel, die sich zwischen 18 und 20 Prozent bewegt. Sie agiert momentan wieder in der Oppositionsrolle (wobei sie aufpassen muss, dass sie nicht zur eigenen Opposition wird) und versucht massiv, weiterhin eine kritische (!) politische Größe zu bleiben. Ob sie das ohne ihren Volkstribun Strache schaffen wird, ist allerdings anzuzweifeln. Im antiken Rom hatte er ein Vetorecht und konnte somit jede politische Handlung verhindern. Es bleibt daher spannend.
Hinweis:
Die Autorin analysiert bis 2. September in den „Sommer(nach)gesprächen“ unter Leitung von Ingrid Thurnher mit weiteren ExpertInnen auf ORF 3 um 22.30 die Sommergespräche der Parteivorsitzenden
Termine:
5. August: Maria Stern, Jetzt Liste Pilz
12. August: Beate Meinl-Reisinger, NEOS
19. August: Norbert Hofer, FPÖ
26. August: Pamela Rendi-Wagner, SPÖ
2. September: Sebastian Kurz, Neue Volkspartei
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