Das Neue Österreich
NEOS, das Neue Österreich, 7 Jahre alt, stellt sich nun zum dritten Mal der Wahl, um ins österreichische Parlament einzuziehen. Zeit für ein erstes Resümee, was diese Partei bewirkt hat und wofür sie steht.
Was auffällt: die neue Frontfrau der NEOS besticht durch weit weniger Aktionismus als ihr Vorgänger. Keine bildhafte Sprache begleitet sie sondern Beate Meinl Reisinger steht (zumindest bis vor kurzem) für klare politische Ansagen. Daher war es sehr verwunderlich, dass sie sich im heurigen Sommergespräch mit dem ORF relativ zahm und untypisch kampflos zeigte. Ihre Stärke und ihr Kampfgeist, ihre Dynamil und ihre Ungeduld, die ihr den Beinamen die „Löwin“ einbrachten, waren nicht richtig sichtbar.
Ist die Mission von NEOS vielleicht schon zu Ende? Ein Versuch einer Analyse
1) Ohne NEOS gäbe es die Neue Volkspartei nicht
NEOS hat seit dem Auftritt auf dem politischen Parkett vieles in Bewegung gebracht und aufgeworfen. Vor allem Richtung ÖVP gab es immer wieder starke Kritik an deren verloren gegangener christlich sozialer bzw sozial marktwirtschaftlicher Mission. NEOS ist gegen jede Form von Zwang und steht stark für die unternehmerische Freiheit. Das spürte die ÖVP. Sie nahm in der Wählergunst ab. Was fehlte, war eine eindeutige Unterscheidung zu den NEOS, die sich vorallem am Beginn nie eindeutig als liberale Partei beschrieb sondern als Bürgerbewegung, die Österreich eben erneuern wolle.
Sebastian Kurz hat nach seinem Antritt als neuer VP-Chef einigen NEOS Abgeordneten ein „Übernahme“Angebot gemacht, was den damaligen NEOS Vorsitzenden Matthias Strolz ziemlich verärgerte. Gleichzeitig war es aber auch der Hinweis darauf, dass die Positionen der NEOS in das Programm der neuen Volkspartei leicht zu integrieren waren. Und so wirkt auch jetzt noch das Programm der neuen Volkspartei auf weiten Strecken wie ein Copy Paste der NEOS. Mit dem Unterschied, dass gesellschaftspolitisch ein grosser und neuer „Gap“ herrscht. Hier die Migrations- und Protektionismusdebatte, dort das Einstehen für eine offene, liberale Gesellschaft.
2) NEOS ist die alte Volkspartei, die viele vermissen
Die thematische Unterscheidung ist tatsächlich für viele auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Man merkte dies beim 12 Stunden Arbeitstag. Obwohl sich NEOS in der parlamentarischen Debatte heftigst gegen das türkis-Blaue Modell aussprachen, stimmten sie am Ende zu. Mit dem Hinweis, dass sie sich schon immer für Arbeitsflexibilisierung eingesetzt hatten. Es ist NEOS allerdings nie gelungen, die Unterschiede in einem auf Schlagworte reduzierten politischen Austausch zu erklären. Das heisst im Umkehrschluss: NEOS und Volkspartei haben die gleiche Vorstellung bei diesem Thema. Aufgrund der sogenannten „Einzelfälle“ in der letzten Regierung war es (bedauerlicherweise) immer öfters notwendig, die Volkspartei an Werte wie Rechtsstaatlichkeit, liberale Demokratie und Meinungs-/ Pressefreiheit zu erinnern. Diese Rolle übernahm NEOS dankend und in Person einer Irmgard Griss auch sehr überzeugend. Und genau das kam und kommt vielen ÖVPlern entgegen, die sich gegen alles, was mit Faschismus, Autorität und Radikalismus zu tun hat, wehren bzw ablehnen. NEOS schlägt hier als noch immer politisches Startup den Weg einer 1945 gegründeten Partei ein, die für sich die Werte Liberalismus, Konservativismus und die katholische Soziallehre in Anspruch nimmt.
3) Es fehlt an Metathemen
NEOS scheinen die Themen bzw deren „neue“ Umsetzungen auszugehen. Standen sie 2013 noch sehr für Transparenz und Informationsfreiheit, also für das Aufbrechen von verkrusteten Systemen, kommen ihnen nun die Themen auf der Metaebene abhanden. Europa wird herangezogen, wenn es gerade passt (war zb kein aktiv eingebrachtes Thema seitens Meinl-Reisinger bei Sommergespräch), es werden die Schlagworte Bildung und Wirtschaft benutzt, die allerdings keine Kontinuität in der Kommunikation erfahren. Auch die inhaltlichen Konzepte werden zu wenig bzw „user“freundlich kommuniziert. Man bekommt sogar den Eindruck, dass mittlerweile oft nur mehr reagiert statt proaktiv agiert wird. Besonders auf Social Media kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass der Gedanke des Start Ups nach wie vor vorherrschend ist. Die tlw fast wie bei einer Studentenparty anmutende digitale Kommunikation des NEOS Accounts lässt nicht darauf schliessen, dass es sich hier um eine Partei handelt, die auch Regierungsverantwortung übernehmen möchte.
4) Fazit
NEOS muss inhaltlich wieder radikaler in den Ansagen werden, auch unpopuläre politische Ideen aufgreifen und nach ihren (liberalen) Gesichtspunkten diskutieren. Stichwort: Bedingungsloses Grundeinkommen. Durch das Wiedererstarken der Grünen wird es schwer, im bürgerlich- liberalen Pott zusätzliche Stimmen zu gewinnen. Ausser man hat den Anspruch, die Neue Alte Volkspartei zu werden, nach der sich viele sehnen. Vielleicht steht am Ende damit sogar ein CDU/CSU Modell mit der Neuen Volkspartei ins Haus.
Hinweis:
Die Autorin analysiert bis 2. September in den „Sommer(nach)gesprächen“ unter Leitung von Ingrid Thurnher mit weiteren ExpertInnen auf ORF 3 um 22.30 die Sommergespräche der ParteivorsitzendenTermine:
5. August: Maria Stern, Jetzt Liste Pilz
12. August: Beate Meinl-Reisinger, NEOS
19. August: Norbert Hofer, FPÖ
26. August: Pamela Rendi-Wagner, SPÖ
2. September: Sebastian Kurz, Neue Volkspartei
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