SN: „Inszenierung (er)schlägt Politik“

Die Salzburger Nachrichten haben mich zu den Social Media Auftritten österreichischer und deutscher PolitikerInnen befragt.

Artikel bei Salzburger Nachrichten: „Inszenierung (er)schlägt Politik“

Der Zeitungsboulevard konnte sich an der Angelegenheit nicht sattdrucken: „SPÖ-Mann liiert mit Postfaschistin“, verkündete noch einigermaßen trocken die „Krone“, während „Österreich“ mit der Schlagzeile „Heiße Küsse mit Rechts-Politikerin im Meer“ die saftigen Details verriet. In beiden Fällen ging es um den Tiroler SPÖ-Chef und Vizelandeshauptmann Georg Dornauer, der sich in einer Beziehung mit der italienischen Politikerin Alessia Ambrosi befindet. Diese ist als Parlamentarierin der postfaschistischen Regierungspartei Fratelli d’Italia am entgegengesetzten Ende des politischen Spektrums verortet. Die rote Parteijugend reagierte irritiert auf die Liaison und erinnerte Dornauer an seine Verantwortung als „Vorsitzender einer antifaschistischen Partei“. Dornauers Replik: Er trenne strikt zwischen Politik und Privatleben.

Dieser Grundsatz geriet ins Wanken, als auf Ambrosis Instagram-Account innige Strandfotos der beiden Politiker auftauchten. Dies sei gegen seinen Willen geschehen, teilte Dornauer der „Tiroler Tageszeitung“ mit. Dennoch bleibt die Frage: Wie viel Selbstinszenierung, wie viel Narzissmus ist einem Politiker, einer Politikerin zuträglich?

„Social Media sind kein Spielzeug“

Kommunikationsexpertin Nina Hoppe hält nichts von derlei Inszenierungen. „Social Media sind kein Spielzeug“, gibt sie zu bedenken. Politiker wären gut beraten, diese ausschließlich „für seriöse politische Kommunikation“ zu nutzen. Andernfalls dürfe man sich nicht wundern, „wenn die Menschen die Politik nicht mehr ernst nehmen“.

Hoppe verweist darauf, dass die Beziehung Dornauers mit Alessia Ambrosi durchaus eine politische Tangente habe: Die italienische Regierung unter Führung der Postfaschisten habe einen Zinsdeckel verordnet, wenig später habe die SPÖ diese Forderung ebenfalls erhoben. Doch der Ratschlag der Kommunikationsexpertin, Social Media als Mittel der Politik und nicht als Spielzeug zu betrachten, scheint in der Politik noch nicht angekommen zu sein. Der Instagram-Account Alma Zadićs beispielsweise zeigt die Justizministerin mit Tieren, mit Kindern, bei Festspieleröffnungen und mit prominenten Künstlern. SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler ließ sich mit Ehefrau in kurzen Hosen an einem südlichen Strand ablichten. Die Zahl der heimischen Politiker, die mit Weltberühmtheiten wie Arnold Schwarzenegger oder mit erfolgreichen Sportlern posierten, ist Legion.

Wenn Selbstinszenierung zum Verhängnis wird

Und nicht immer erweist sich die Selbstinszenierung als Turbo für die Karriere. Dem damaligen deutschen Verteidigungsminister Rudolf Scharping etwa wurde zum Verhängnis, dass er sich mit seiner Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati bei trauten Spielen im Swimmingpool auf Mallorca ablichten ließ. Social Media waren noch unbekannt, deren Rolle erfüllten damals Illustrierte wie die „Bunte“, die die Bilder auf ihrer Titelseite platzierte. Die Bundeswehr stand, als der zuständige Minister sich auf der Mittelmeerinsel vergnügte, am Beginn eines Mazedonien-Einsatzes. Die öffentliche Reaktion war verheerend. Bald darauf wurde Scharping vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder entlassen.

Auch die aktuelle deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bereitet sich mit ihrer Selbstinszenierung Probleme. Nach ihrer gescheiterten Asien-Reise schrieb sie auf X, vormals Twitter, den inhaltlich absurden Satz: „Leider ist es logistisch nicht möglich, meine Indo-Pazifik-Reise ohne den defekten Flieger fortzusetzen.“ – „Das ist unprofessionell, da fehlt jedes Gespür für die politische Dimension“, rügt Kommunikationsexpertin Hoppe, dabei handle es sich doch „um die Außenministerin eines der wichtigsten Länder der Welt“.

Auch Grasser, Haider und Klima lieferten beachtliche Shows

Zurück nach Österreich, wo Dornauer & Co. keineswegs als Pioniere der Selbstinszenierung gelten können. Beispiel Karl-Heinz Grasser, der einst mit Kletterausrüstung den Südturm des Stephansdoms erklomm, was ihm spaltenweise Berichterstattung einbrachte. Beispiel Jörg Haider, dem es als FPÖ-Obmann einst gelang, vor versammelter Fotografenschaft ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel in den vom ihm gelenkten Porsche zu locken. Was die für Schüssel peinliche Botschaft vermittelte, dass Haider auch in der Koalition am Steuer sitze.

Oder Beispiel Olympische Winterspiele in Nagano 1998: Die Herrenabfahrt mit Hermann Maier ist für drei Uhr früh angesetzt. Bundeskanzler Viktor Klima bestellt den Fotografen einer Illustrierten an seinen Urlaubsort auf den Arlberg. Ein Fototermin im Morgengrauen erscheint jedoch inopportun, also werden die Aufnahmen gestellt. Am helllichten Nachmittag vertauscht Klima Skikluft mit Trainingsanzug und hockt sich im verdunkelten Zimmer bloßfüßig vor den Fernseher. Dann werden vom Kanzler zwei Fotos geschossen: eines in Jubelpose (falls Maier gewinnt), eines in Zerknirschung (falls Maier verliert). Doch man hat Pech: Erst wird die Abfahrt verschoben, woraufhin die Illustrierte aus Zeitnot beide Fotos ins Blatt rückt, dann wird die Abfahrt an besagtem Tag witterungsbedingt abgesagt. Nur die Fotos bleiben …

Personen in Führungspositionen öfter narzisstisch

Auch dem einstigen Kanzler Christian Kern war die Selbstinszenierung bis über die Peinlichkeitsgrenze hinaus nicht fremd, als er etwa in einem Werbefilmchen als Pizzabote auftrat. Und Fotos von schweißtreibenden sommerlichen Wanderungen, bei denen sie ihre körperliche Fitness unter Beweis stellen, gehören für so gut wie alle Politiker seit Jahren zum guten Ton.

Übrigens: „In Führungspositionen findet sich ein höherer Anteil an Menschen mit narzisstischer oder psychopathischer Persönlichkeitsstörung“, meldete kürzlich das Portal wissenschaft.de. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder?

Dornauers „lieber Freund“ Babler

Während die rote Jugend über die Liaison des Tiroler SPÖ-Chefs Georg Dornauer mit der Trentiner Parlamentarierin der postfaschistischen Fratelli d’Italia, Alessia Ambrosi, schäumt, ließ sich Bundesparteichef Andreas Babler am Donnerstag bei einem Tirol-Besuch ein eventuelles Missfallen der grenzüberschreitenden Links-rechts-Beziehung nicht anmerken. Er wolle das nicht kommentieren, meinte Babler, was Gastgeber Dornauer mit einem erfreuten Nicken quittierte.

Überhaupt waren die beiden darauf bedacht, die inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten vergessen zu machen oder sie als Streitkultur „im positiven Sinne“ darzustellen. Dornauer, der sich im Vorfeld der SPÖ-Vorsitz-Wahl klar für Hans Peter Doskozil ausgesprochen hatte, nannte Babler einen „lieben Freund“, mit dessen Besuch er eine „Riesenfreude“ habe. Babler bezeichnete Dornauer als „lockeren Typen“, mit dem er ein „lockeres Verhältnis“ habe. Und: Er und Dornauer seien „gelassen“. Was immer das heißen mag.

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