Amt-Beschädigung
Je öfter sich ein Politiker widerspricht, desto größer ist er. (Friedrich Dürrenmatt)
Die Frage, die ich mir seit Wochen stelle, ist: ist das politische Amt durch die Entwicklungen der letzten Jahre derart beschädigt, dass Politik in nächster Zeit nur mehr von Populisten beherrscht wird?
Es ist wie immer gewesen: beim Regierungswechsel waren einige Regierungsmitglieder ohne Job, von einem Tag auf den anderen, für einige von ihnen überraschend und ohne Möglichkeit auf Vorbereitung. Werner Faymann selbst soll angeblich nach seiner Rücktrittspressekonferenz mit dem Taxi nach Hause gefahren sein – weil ihm bereits der Dienstwagen entzogen wurde.
Dies geschah – „Dank“ der starken sozial medialen Anteilnahme – unter Häme. So wie die langsame Demontage von Werner Faymann oder auch 1,5 Jahre zuvor jene von Michael Spindelegger in aller Öffentlichkeit stattfand. Es fand sich niemand, der „Partei“ (sic) für das Amt ergriff, um es in seiner Würde und Tragweite vor den Angriffen auf die Person zu schützen.
Kein Follow up?
Es gibt kein legitimes Follow Up für freiwillig ausgeschiedene Politiker.
Jobs in der Privatwirtschaft werden als Versorgungsjob abgetan, KEIN Job wird als bewiesenes Versagen interpretiert, Selbständigkeit abgekanzelt (!) als Ausnützen der Netzwerke, die ohne den vorangegegangenen Job gar nicht möglich gewesen wären.
Dieses Szenario erwartet jeden Spitzenpolitiker, der sich in eine öffentliche Position begibt. Es ist quasi Teil des politischen CVs. Dass sich deswegen immer weniger Menschen finden, die freiwillig nicht nur für längere Zeit auf Privatsphäre und Freizeit verzichten sondern auch sehenden Auges in eine Art Imageschädigung eintauchen, ist kein Wunder.
Respekt für das Amt?
In Deutschland gibt es hierfür eine andere politische Kultur. AltBundespräsident und AltBundeskanzler wird eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Für die Zeit danach. Ohne Häme aus der Bevölkerung sondern aus Respekt vor der Tatsache, dass diese Personen eine gewisse Zeit ihres Lebens in den Dienst der Allgemeinheit gestellt haben. Sie werden auch als politische Beobachter und Analysten für grosse Veranstaltungen vermittelt, ohne dass der Hauch eines „Versorgungs“job mitschwingt. Sie sind weiter Botschafter ihres Landes, für das sie Verantwortung eine Zeit lang vom Wähler überantwortet bekommen haben. Der Blick und die Meinung des „Elder Statesman“ sind ein gewünschter und gesuchter. Die ehemaligen amerikanischen Präsidenten machen dies zu einem Geschäftsmodell mit verbundener gemeinnütziger Tätigkeit in Form von Stiftungen.
Der Populist profitiert
Dass dennoch Sachpolitik zu machen ist, ist unabdingbar und notwendig. Denn: Noch nie war es so leicht – vorallem durch die sozialen Medien – Politik und seine Akteure zu hinterfragen, auseinanderzunehmen und ohne grosses Hintergrundwissen zu kritiseren. Dies ist die Sternstunde der Populisten, die mit ihren Aktivitäten vor allem auch eines bewirken: die Schädigung des Amtes, das sie paradoxerweise selbst anstreben. Womöglich im Bewusstsein, es nie so ausfüllen und prägen zu können wie ihre Vorgänger. Daher wird das Amt systematisch beschädigt. Und dies nicht nur von dessen Angreifer sondern auch von deren Verteidiger. Wie aktuell im US-Wahlkampf zum Beispiel. Aber auch EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker kämpft nach wie vor um einen respektvollen Umgang mit seinem Amt und der EU-Kommission. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig und auch oft selbst „verschuldet“. (zb TTIP, Russland-Sanktionen, EU-Türkei Abkommen, Griechenland-Hilfe, etc)
Mit der Konsequenz einer massiven Anti-EU-Haltung innerhalb der EU-Bevölkerung, die von Populisten aufgenommen wird.
Jüngstes Beispiel aus Österreich: die Bundespräsidentenwahl
Der medial ausgerufene „Lagerwahlkampf“ veranlasste beide Seiten dazu, das Amt des Bundespräsidenten in einem der Verfassung völlig unangemessenen und unrichtigen Licht darzustellen. Die beiden Kandidaten wurden zu Themen befragt, die mit dem Amt nichts zu tun haben. Sie wurden in mediale Konfrontationen gepresst, die dem Amt nicht nur unwürdig waren sondern auch geschadet haben.
Politische Bildung 4.0
Um den respektvollen Umgang mit dem Amt (wieder) zu lernen, bedarf es einer massiven Aufwertung der politischen Bildung. Und den dementsprechenden geschulten Umgang mit politischen Amtsträgern in den sozialen Netzwerken. Die Bereitschaft der Politik, mit den WählerInnen im Netz direkt zu kommunizieren, bedeutet auch einen respektvollen Umgang miteinander. So wie der Politiker den Wählerwillen und seine Meinung zu akzeptieren hat, muss der Wähler sich der Aufgabenstellung eines politischen Amtes wieder bewusst sein und dementsprechend respektvoll mit seinem politischen Gegenüber umgehen. Im direkten wie indirekten Verhältnis.
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