Rendi-Wagner: Yes, she could
Im 4. Sommergespräch des ORF war die SPÖ Parteivorsitzende Pamela Rendi Wagner zu Gast. Sie stellte auf eine für die Politik momentan ungewohnte Weise ihren Führungsanspruch dar: empathisch, eloquent und sattelfest in den (meisten) Themen. Dem gegenüber steht der Auftritt in den sozialen Medien. Hier wirkt sie fast starr und vorallem unauthentisch.
1) Metamorphose:
Pamela Rendi Wagner hat seit ihrer Übernahme des Parteivorsitzes mehrere Wandlungen durchgemacht. Zunächst wirkte sie noch sehr authentisch aber zurückhaltend. Innerhalb der Partei hatte dies die Auswirkung, dass andere nach aussen vermeintlich die Themenführerschaft übernahmen. Viele in der Partei haderten mit ihr als Quereinsteigerin – ein Phänomen, das offenbar der Grund der schlechte Performance der SPÖ ist : zu wenig Loyalität – und sie verschaffte sich in der Anfangsphase nicht die notwendige Autorität, um die unbestrittene Nr 1 in der Partei zu sein.
Gleichzeitig scheint sie mehrere Coaching Phasen durchlaufen zu haben, sodass ihre Natürlichkeit und Empathie in öffentlich-medialen Auftritten verschwanden und sie zur Reproduktionsmaschine der Kommunikations- und Werbebotschaften wurde. Sie wirkte hölzern und künstlich. Vor allem wurde sie damit entpolitisiert – der politische Mensch Rendi Wagner war nicht zuerkennen. Sie blieb gänzlich unpolitisch. Gerade in Zeiten, wo der politische Herausforderer ebenso das „Politische“ vermissen lässt, besonders bitter.
Jedoch scheinen die Touren durch die Bundesländer ihr einen neuen Energieschub gebracht zu haben. Ihre Stärke sind die Gespräche mit Menschen, der direkte Kontakt – ein „Vermächtnis“ ihres zivilen Berufes als Ärztin. Von dort scheint sie sich auch die Sicherheit für den politischen Diskurs und ihre Wahlkampfauftritte zu holen. Im Sommergespräch war sie authentisch wie schon lange nicht und untermauerte ihren Führungsanspruch – vor allem innerhalb der Partei.
2) Zoon Politikon?
Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass es sich bei Rendi-Wagner um einen primär unpolitischen Menschen handelt. Politische Konzepte und Visionen liegen ihr nicht, sie kann besser im konkreten kleinteiligen Beispielen argumentieren. Da sie für die SPÖ die erste wirkliche Quereinsteigerin ist, tut sich auch die sozialdemokratische Programmatik mit ihr und sie mit der Programmatik schwer. Sie punktet sofort in ihren natürlichen Themen wie der Gesundheitsversorgung bzw -system, überzeugt auch als Feministin ohne radikale Ausschweifungen, nur politisch agiert, denkt und wirkt sie damit nicht.
Dies merkt man auch in den politischen (?) Botschaften. Sie kann eigentlich nicht leichter und einfacher sein als „Wer die türkis blaue Auffassung von Politik ablehnt, muss die Sozialdemokratie stärken. Wir sind die einzige Alternative“. Dies sollte die zentrale Botschaft sein und bei jeder Gelegenheit platziert werden. Und dafür fehlt Rendi Wagner dieser urpolitische Instinkt. Eine Herausforderung für eine Parteivorsitzende, deren Partei immer sehr stark in politischer Ideologie verhaftet war und damit Identitäten und Identifikation schuf.
3) Soziale Medien
Wie sehr Soziale Medien falsch in der politischen Kommunikation eingesetzt werden, zeigt sich am Beispiel von Pamela Rendi-Wagner. Der digitale Auftritt wird der Person Rendi-Wagner einfach nicht gerecht. Und auch nicht der Partei und ihren Botschaften. Tierfotos, Aufnahmen von Dirndldirigaten oder burgenländisches Hemdenbügeln – das alles untermauert das Unpolitische. Hier passiert eine überperfekte Vermarktung im grossen Stil, die sich nach Verhaltensökonomischen Parametern der Zielgruppe orientiert aber nichts mit der sozialdemokratischen Spitzenkandidatin selbst zu tun hat.
Man zwängt ihr ein Format auf, das ihr nicht entspricht. Die Spontaneität der Sozialen Medien, das nicht immer Perfekte aber dafür Menschliche (sic!) werden gar nicht zugelassen. Rendis Stärke – der lange, ausführliche Diskurs – werden ihr nicht zugestanden. Soziale Medien sollen dazu dienen, die Authentizität der Kandidatin zu unterstreichen und hervorzuheben. Eben den Menschen zu zeigen. Wenn man schon Menschlichkeit als Slogan propagiert, sollte man nicht eine Kunstfigur schaffen. Rendi digital ist nicht Rendi analog. Wobei Rendi analog die starke und motivierende Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin ist. Und sie beugt sich auch zu schnell dem Druch aus den sozialen Medien, die aber kein Parameter für die „echte“ Stimmung „dort draussen“ sind.
Bestes Beispiel ist ihre Antwort auf das Hörbiger-Video. Anstatt maximal inhaltlich (nämlich nochmals den Grund für das Misstrauensvotum zu erklären) zu argumentieren, wird die Reaktion auf das „Menschliche“ reduziert. Damit macht sich Rendi-Wagner kleiner als sie ist. Hörbigers und co sind nicht ihre Augenhöhe. Das ist und bleibt Sebastian Kurz
4) Fazit
Positiv überrascht hat mich, dass Rendi Wagner als erste Spitzenkandidatin in der Sommergesprächsreihe das Thema Europa aktiv eingebracht hat. Dass Europa eine conditio sine qua non ist und viele Themen nur mehr europäisch gelöst werden können.
Ich lehne mich jetzt aus dem Fenster und prognostiziere: es wird Platz 2, mit deutlicherem Abstand zur FPÖ und geringerem Abstand zur ÖVP als angenommen. Yes, she could.
Hinweis:
Die Autorin analysiert bis 2. September in den „Sommer(nach)gesprächen“ unter Leitung von Ingrid Thurnher mit weiteren ExpertInnen auf ORF 3 um 22.30 die Sommergespräche der Parteivorsitzenden
Termine:
5. August: Maria Stern, Jetzt Liste Pilz
12. August: Beate Meinl-Reisinger, NEOS
19. August: Norbert Hofer, FPÖ
26. August: Pamela Rendi-Wagner, SPÖ
2. September: Sebastian Kurz, Neue Volkspartei
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