Politisch derangiert

Der Populismus hat es geschafft: wir sind politisch derangiert. Gesinnungstheoretisch, gesellschaftlich, diskursiv. Und das in einem so wichtigen Wahljahr.

Boris Johnson war also „Stargast“ beim Salzburg Summit, der seinerzeit in einer Art kindlichen Trotzakt von den Türkisen als Gegenveranstaltung zum Forum Alpbach gegründet wurde. Als de facto Gastgeber wirkte auch wieder Sebastian Kurz, der entsprechend auch medial hofiert wurde. Ich frage mich ernsthaft, was Johnson und Kurz so interessant macht. 2 Populisten, die nachhaltig ihrem Land schweren Schaden zugefügt haben. Johnson hat den Brexit zu verantworten – die aktuellen rechtsradikalen Ausschreitungen sind eine von vielen Folgeerscheinungen. Kurz hat seine Kanzlerschaft vor allem dafür genützt, seine Klientel und damit auch sich zu bedienen und zu bevorzugen – zum Nachteil des Wirtschaftsstandortes und schlussendlich auch sozialen Friedens in diesem Land. Wer populistisch und ideologiefrei oder – sagen wir – ideologieelastisch agiert, kreiert Chaos und schafft vor allem keine Nachhaltigkeit.

Einen Unterschied gibt es wohl zwischen UK und Österreich: die politische Tradition der liberalen Demokratie, des Wahlsystems, das in UK die Versäumnisse der letzten Jahre schnell auszugleichen vermag. Und zwar mit einem unvergleichlichen beneidenswerten politischen Stil, der seinesgleichen sucht. Der Übergang von der Regierung Sunak zur Regierung Steamer war hier beeindruckend. Und vorallem: der Populismus wird auf längere Sicht in UK keine Chance mehr haben

Österreich ist anders

Österreich hingegen hat sich von den Kurz-Jahren nicht wirklich erholt. Und mich beschleicht auch immer wieder der Gedanke, dass dies der grösste Triumph von Kurz bleiben könnte. Die SPÖ wirkt seit 2017 hilflos wie nie, sucht nach der richtigen Parteispitze, ergeht sich in öffentlichen Parteischamützel und sucht dringend ihren Kurs, der sie wieder zu einer staatstragenden Volkspartei werden lässt. Andreas Babler hat mit seinem prononciert linken Diskurs einige alteingesessene Sozialdemokraten zwar wieder gewonnen – jedoch auch das Feld für andere linke Parteien aufgemacht. Siehe die KPÖ. Wer hätte gedacht, dass in den 20 er Jahren des 21. Jahrhundert eine Partei mit dem Begriff Kommunismus noch irgendeine Chance beim WählerIn hätte. Durch das Thema „Leistbares Wohnen“ hat die KPÖ es geschafft.

Und ausserhalb Wiens, wo die SPÖ Wien seit über 100 Jahren dieses Thema mehr oder weniger erfolgreich bestreitet, fällt das Thema in den Städten auf fruchtbaren Boden. Dass die KPÖ sonst in einer völlig weltfremden, sozialromantischen Ideologie verfangen ist, die keinerlei valide Punkte zur Bewältigung der aktuellen grossen politischen Herausforderungen hat, stört da nicht so.

Bier, Keine, Petrovic, Gaza

Das zeigt auch der Trend zu diesen sogenannten Single Issue Parteien, die sich teils im Schwurbler- und Verschwörungseck befinden. Keinerlei Programm (wie zb Bier Partei), Sozialromantik (KEINE) oder faktenbefreite Corona und Gaza Verschwörungstheorien werden da als Gesinnungstheorie verkauft. In einer repräsentativen Demokratie, deren Rückgrat Parteien sind, die sich mit ihren Entwürfen für Staat und Gesellschaft um Wählerstimmen matchen sollten, zeugt das von politischer Derangierung. Der Populismus der letzen Jahre hat unseren Begriff der Politik dermassen nachhaltig geschädigt, dass diese neuen „Parteien“ die Möglichkeit haben, zu solchen wichtigen Wahlen wie der Nationalratswahl antreten zu können.

Es wird nicht überlegt, dass solche Parteien Antworten auf alle relevanten politischen und gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit haben müssen. Aussenpoltiische Expertise ist da ebenso gefragt, wie wirtschafts- und bildungspolitische Kompetenz und natürlich ganz aktuell: eine sicherheitspolitische Vision.

Nein, der/ die Wähler/in ist politische so derangiert, dass die Corona Politik der Regierung (die sich übrigens diesen Schwurblern aus wahltaktischen Gründen unterordnet und keine Kampagne zur Auffrischung von Covid Impfung fährt) und einem Konflikt, der mit Österreichs politischen Herausforderungen nichts zu tun hat (Gaza), Wahlmotive sind. Das löst weder den Fachkräftemangel, die hohe Abgabenquote, die Bildungsmisere oder die Pflege- oder Pensionsproblematik, die mit Überalterung der Bevölkerung einhergeht.

Politisch derangiert

Österreich ist politisch derangiert. Die VerursacherInnen werden medial weiterhin gehypt, sie werden nie politisch zur Verantwortung gezogen werden. Ein Nachteil der Demokratie. Rücktritt bevor das Wahlvolk spricht (vielleicht hätte es sogar aufgrund der politischen Derangierung die Verantwortlichen nicht abgewählt ….)

Zuletzt eine Frage: in der gesamten Debatte um Mindestsicherung fehlt mir ein ganz wichtiger Aspekt: haben Menschen mit diesen Zuwendungen überhaupt eine Chance auf Integration und Aufstieg? Und damit mittelfristig die Chance, diese Zuwendungen auch bald nicht mehr zu benötigen?

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