Gastkommentar: Ein Spaßvogel in der Hofburg?
Dieser Text erschien am 18. Juni 2022 im „Der Standard“ als KOMMENTAR DER ANDEREN
Der Gründer der Bierpartei will bei der Bundespräsidentschaftswahl antreten. Das ist demokratiegefährdender Populismus, den man nicht unterstützen sollte. Politik braucht wieder mehr Ernsthaftigkeit.
Nina Hoppe
Dominik Wlazny alias Marco Pogo, der Vorsitzende der Bierpartei, möchte Bundespräsident werden. Mit Aussagen wie „Ich rechne mich der Mitte zu, denn in der Mitte einer Bar ist man am nächsten zum Zapfhahn“. Österreich, wir müssen über die Ernsthaftigkeit in der Politik reden.
Es geht hier nämlich auch um den Respekt eines Amtes gegenüber, das inhaltlich wie organisatorisch enorm komplex ist. Hier bedarf es einer Person, die nicht nur den politischen Weitblick und auch Großmut besitzt, sondern das Wesen und Funktionieren der Politik kennt. Aber auch das Wesen und die Stärke der Diplomatie, die Stärke und Komplexität der Verfassung, die Sensibilität internationaler Beziehungen, das Wissen um Geostrategie und Geopolitik oder der Sicherheitspolitik.
Demokratiegefährdend
Es ist kein Amt, das Platz und Raum für eine sogenannte Spaßpartei gibt. Nun gestehe ich zu, das solche Phänomene gerade noch bei Kommunalwahlen eine Möglichkeit zur Mitgestaltung des unmittelbaren eigenen politischen Umfelds haben – Pogo ist Bezirksrat in Wien Simmering. Aber Spaßparteien und ihre Vertreterinnen und Vertreter können aus Verantwortung gegenüber der Demokratie nicht Ämter wie Minister, Bundeskanzler oder eben Bundespräsident anstreben. Weil solche „Projekte“ vor allem eines sind: Demokratiegefährdend.
Nun kann man natürlich dagegegen halten: gerade in einer Demokratie haben solche Parteien das Recht mitzugestalten, weil die Menschen das wollen und weil sie die „Bedürfnisse“ der Menschen erkennen. Das ist auch eine der Argumentationen, die Pogo als Grund für seine Kandidatur angibt. Sie ist aber grundsätzlich falsch, weil sie nicht politisch sondern populistisch ist. Und Populismus führt nicht zur Meinungsvielfalt, Diskurs und Pluralität, sondern zu Radikalisierung, Diskursarmut und vor allem zu keiner ernsthaften Auseinandersetzung mit den wichtigen essentiellen Themen unserer Zeit.
Hinzukommt, dass das eigene Handeln als ernsthafter Politiker immer wieder reflektiert werden muss – vor dem Hintergrund des kategorischen Imperativs oder einer Verantwortungsethik eines Max Weber. Das fehlt jenen, die sich aus Jux und Tollerei und vor allem aus einem immensen Streben nach Macht und dem eigenen Vorteil die politische Bühne betreten.
Nun kann man wiederum dagegen halten: der Umgang mit Verantwortung, Ethik und moralischem Handeln im Sinne einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung funktioniert in Österreich seitens der sogenannten etablierten Parteien gar nicht mehr. Ja, das stimmt. Umso mehr müssen wir uns nun als Gesellschaft zusammentun und dazu beitragen, dass hier wieder Ernsthaftigkeit und Selbstdisziplin zu den essentiellen politischen Kategorien gehören. Dass in der Öffentlichkeit valide politische Diskurse zwischen den unterschiedlichen Ideologien und Entwürfen möglich sind. Dass es hier nicht mehr um zugespitzte Schlagwörter oder Bonmots geht, sondern um echte Konzepte für das Land und seine Gesellschaft im internationalen Umfeld.
Soziale Medien
Die sozialen Medien spielen hier eine wichtige Rolle. Nicht nur, dass sie massiv die öffentliche Meinung prägen und dazu beitragen, dass sich öffentliche und veröffentlichte Meinung vermischen. Soziale Medien brauchen ausgefallene Charaktere – je ungewöhnlicher und direkter, radikaler die Sprache, umso größer die Aufmerksamkeit. Wut und Frust entladen sich perfekt in diesen Medien. Sie unterliegen einer enormen Manipulationsgefahr – siehe Brexit und Donald Trump. Das ist eine große Gefahr für die Demokratie, die vor allem auf Werten wie Meinungsfreiheit, persönlicher Freiheit und Pressefreiheit fußt.
Apropos Pressefreiheit: auch die „klassischen“ Medien spielen eine wichtige Rolle, dass die Ernsthaftigkeit in der Politik abhanden gekommen ist. Ich erinnere mich an das Phänomen Frank Stronach – da ging es weniger um Inhalt und Konzepte als um das Wesen des Kandidaten, seine Sprache und Skurrilität – und so mancher Journalist nahm sein Interview vor laufender Kamera zum Anlass, die Ernsthaftigkeit der politischen Diskurses zugunsten des skurrilen Momentums zu opfern, das Quote und Reichweite bringt. Der Zuseher fand Politik endlich „lustig“ und nicht langweilig, weil jemand so spricht wie er selbst.
Keine Satireshow
Ja, die verständliche Kommunikation der politischen Inhalte ist wichtig. Davon leben unter anderem Menschen wie ich, weil sich der Politiker, die Politikerin in der Komplexität der Themen oft verlieren kann und die wesentlichen Punkte oder leicht verständlichen Argumente vergisst. Aber die politische Kommunikation braucht eine ernsthafte Politik und Haltung. Haltungen und Meinungen müssen vor dem Hintergrund von Programmen, Ideologien und Konzepten ausdiskutiert werden. Am Ende steht der Kompromiss. Das ist das Wesen demokratischer ernsthafter Politik und ihrer Vertreterinnen und Vertreter. Und das verlangen die politischen Spitzenämter in unserer Republik.
Es ist daher zu hoffen, dass die Bundespräsidentenwahl nicht zu einer inhaltlichen (schlechten) Satiresendung wird, in der sich die Herausforderer aus Spaß auf Kosten des Amtsinhabers öffentlich bemerkbar machen. Auch die Medien sind gefordert, das Amt in seiner Wucht an Verantwortung und politischer Komplexität darzustellen und die Kandidaten journalistisch herauszufordern. Weil es am Ende um eine ganz wichtige Sache geht: die Stärke und Widerstandskraft unserer Demokratie.
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