Was ist die „richtige“ Politik?
Österreich befindet sich im Dauerwahlkampfmodus. Was dabei ein wenig auf der Strecke bleibt, ist die Politik. Die Politik in ihrem Anspruch eines Platon und seiner „Politeia“, die Politik aus der Sicht der aufgeklärten Philosophen des 17. und 18 Jahrhunderts und der grossen Vordenker des 20. Jahrhunderts. Ich versuche 4 aktuelle Vorgänge der österreichischen Politik aus der Sicht der politischen Denker zu betrachten:
Die erste Frage, die ich mir stelle: wie hätte Platon auf Fake News reagiert?
Platon akzeptiert und empfiehlt Mythen und im buchstäblichen Sinn unzutreffende Behauptungen, wenn sie im Dienst einer aus seiner Sicht höherrangigen Wahrheit stehen. Die höherrangige philosophische Wahrheit ist an und für sich gut und immer erstrebenswert. Nichtphilosophische Wahrheiten hingegen sind nach ihrem jeweiligen Nutzen zu beurteilen; sie sind nur dann wertvoll, wenn sie ein tugendhaftes Verhalten fördern.
Die zweite Frage: wie hätte Bertrand Mandeville auf Tal Silberstein reagiert?
Wahrscheinlich hätte der Verfasser der „Bienenfabel“ seine Freude mit den jetzigen Entwicklungen gehabt. Denn seine Bienenfabel, die 1714 (!!) erschienen ist, hat den Untertitel „Private Laster als öffentliche Vorteile“ getragen. Denn Mandeville stellte Anfang des 18. Jahrhunderts eine sehr interessante These auf, die sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer wieder bestätigte: Zu den Grundlagen einer funktionierenden Gesellschaft, so meinte Mandeville, gehörten nicht etwa nur Tugend, Anstand, Sitte und Moral. Mindestens ebenso wichtig für das Gedeihen eines Landes seien das Laster, die Unmoral, ja sogar das Verbrechen.
Die dritte Frage: wie hätte Max Weber auf die Politik der Liste Pilz reagiert?
Max Weber steht etwas diametral zu seinem aufgeklärten Kollegen Bertrand Mandeville. Und daher würde er mit aller Wahrscheinlichkeit die Abspaltung der Liste Pilz von den Grünen nicht gutheissen. Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit, Verantwortlichkeit im Interesse des Sachanliegens, „Augenmaß“ als notwendige persönliche Distanz zu Dingen und Menschen. Ein Verhältnis zur Politik, das der Gesinnungsethik den Vorzug gegenüber der Verantwortungsethik gab, lehnte er als irrational ab.
Die vierte und letzte Frage: was hätte Hannah Arendt zu Sebastian Kurz gesagt?
In ihrem bekannten und anerkannten Essay „Wahrheit und Politik“ diagnostiziert Hannah Arendt für die moderne Politik eine Verschiebung des Konflikts zwischen Politik und Wahrheit. Der Konflikt zwischen Politik und Wahrheiten ist aus Gründen der Vernunft verschwunden. Stattdessen seien es die Tatsachen, die von der Politik angefeindet werden:
„Zwar hat es vermutlich nie eine Zeit gegeben, die so tolerant war in allen religiösen und philosophischen Fragen, aber es hat vielleicht auch kaum je eine Zeit gegeben, die Tatsachenwahrheiten, welche den Vorteilen oder Ambitionen einer der unzähligen Interessengruppen entgegenstehen, mit solchem Eifer und so großer Wirksamkeit bekämpft hat.“
Nun, also was ist nun die „richtige“ Politik ….?
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