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Mehr Intellektualität wagen!

DER STANDARD „Kommentar der Anderen“: Wir erleben eine starke Bewegung gegen Intellektualität in unserem Land – und daran sind nicht die Eliten schuld. Wissen wird als Bedrohung, als Manipulation gesehen. Social Media macht uns alle oberflächlicher, auch die Politik.

Nina Hoppe

Social Media ist State of the Art. Ein (intelligenter?) Algorithmus bestimmt, was wir öfter sehen und was weniger. Dabei zielt er auf unser Hirn ab. Schnell, intensiv und aufregend muss die Botschaft sein. Keine Zeit für Reflexion oder (selbst)kritisches Denken. Wisch und weg.

 

Haben Sie sich bewusst die erfolgreichen Influencer schon einmal inhaltlich angesehen? Wobei, das ist bereits das falsche Wort. Es geht bei den meisten nicht um Inhalt. Der Inhalt ist Äußerlichkeit: Kleidung, Schminke, Frisur, Lippen, Augen, Körper. Es geht intellektuell um nichts. Wissen? Bildung? Null, nada, zero.

Jetzt kann man dagegen halten: Social Media macht gleicher. Ich orte hingegen: Social Media macht uns alle oberflächlicher. Und deintellektualisiert uns. Was meine ich damit?

Ich bin ein Boomer, Jahrgang 73. Ich finde es noch immer verheißungsvoll interessant, wenn ich vor einem Brockhaus stehe. Oder einem Meyer-Weltlexikon. Geballtes Wissen in einem (schweren) Band. In unserer heutigen Welt wissen wir unglaublich viel und vor allem sehr schnell – wir haben durch Google  die Möglichkeit, schnell zu Wissen zu gelangen. Was uns aber fehlt, ist dieses Wissen gleichzeitig zu hinterfragen, weiterzuentwickeln, mit anderen dazu in den Diskurs zu treten.

Wissen und Bildung ist nicht mehr erstrebenswert in unserer Gesellschaft

– es wird sogar als eine Art Bedrohung oder Manipulation verstanden. Aktuelles Beispiel ist die starke Wissenschaftsskepsis in unserem Land. Dabei ist das nicht nur ein Phänomen der breiten Bevölkerung.

Gegen Wissen und geistige Auseinandersetzung wird auch unter dem Vorwand der Political Correctness vorgegangen. Ein Beispiel? Anton Zeilinger, Physik-Nobelpreisträger. Nicht seine Leidenschaft und Neugier etwas zu wissen, zu entdecken, sich mit etwas nicht zufrieden zu geben stand im Mittelpunkt seiner Interviews – sondern warum keine Frauen unter den Physik-Nobelpreisträgern waren. Ernsthaft? Ist das der Umgang mit Geist und Intellekt in einer freien Gesellschaft?

Polit Clickbait?

Auch Politik-Influencer machen Clickbait und schielen dabei auf Wählerstimmen. Nicht nur der Marktschreier, der derzeit in den Timelines auftaucht. Die Politik begibt sich in eine Abhängigkeit des abgestumpften Denkens. Zu sehr fürchtet man sich vor dem Unverständnis in der Bevölkerung, sich mit kritischen und reflektierten Menschen – sogenannten Intellektuellen – zu umgeben. Wissen ist keine Macht sondern unpopulär. Intellekt wird als Bedrohung wahrgenommen. Sofort kommt der (negativ) konnotierte und unreflektierte Begriff der Eliten.

Ja, öffentlich dagegen halten – kritisch oder affirmativ – ist ein Zeichen von Intellektualität. Also mit geballtem, fundiertem, Faktenuntermauertem Wissen. Man merkt sofort: eine Mammutaufgabe in Zeiten des Populismus, der digitalen Kommunikation und besonders Social Media. Deswegen tut sich die Wissen(schaft)skommunikation so schwer. Man kann keinen Filter drüber legen oder Sachverhalte in wenigen Zeichen beschreiben. Weil das Hinterfragen nicht verkürzt und zugespitzt werden kann sondern eher epische Ausmaße erreicht. Nicht gut für das Ziel, wieder mehr Intellektualität zu wagen.

 

Kultur und Kunst ist auch ein wichtiger Bausatz zur Entwicklung eines intellektuellen Menschen. Seitens der Politik sieht man immer mehr einen Rückzug von diesen wichtigen Säulen. Ideell aber auch finanziell. Wann haben wir das letzte Mal einen hochrangigen Politiker, eine hochrangige Politikerin bei einer Ausstellungseröffnung, Opern-, Theater- oder Ballettpremiere gesehen? Ist mir nichts erinnerlich. Oder Architektur als Zeichen des zeitgenössischen baulichen Ausdrucks, wie sich eine Gesellschaft sieht. Wie oft sieht man Architektinnen und Architekten im öffentlichen Diskurs? Wie oft lassen sich Politikerinnen und Politiker mit solchen wichtigen abbilden? Selten bis gar nicht. Aber dass der frühere deutsche Fußballspieler Bastian Schweinsteiger im Neujahrskonzert war, wurde mehrfach dokumentiert. Sie verstehen? Ich immer weniger.

„Intellektuelle sind die Hofnarren einer modernen Gesellschaft und haben geradezu die Pflicht, das Unbezweifelte anzuzweifeln“ (Ralf Dahrendorf)

– ein Ausspruch des großen deutschen Liberalen Ralf Dahrendorf, der alles sagt. Intellektualität hat viel mit dem Eingeständnis zu tun, nicht alles wissen zu können, ständig sich weiter zu informieren, neugierig zu bleiben und die eigene Sicht valide ohne Polemik verteidigen oder aber auch hinterfragen zu können. In Zeiten von Social Media und Populismus fällt sie sehr, sehr schwer. Für eine moderne, offene Gesellschaft ist Intellektualität aber unerlässlich. Sie ist so wichtig für deine profunde Einordnung und Weiterentwicklung. Sonst bleibt am Ende nur der Beauty Filter von Tiktok übrig, der die Dinge äußerlich verändern muss, weil es innen nur mehr hohl und leer ist.

Demokratie in Gefahr

Demokratie auf dem Prüfstand

Am Ende des Jahres ist mein Resümee: noch nie war die Demokratie in Österreich so unter Druck. Eine kurze Einordnung.

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Die Politik ist uns abhanden gekommen

Der Staatsdienst muss zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut werden, nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist. (Cicero)

Fast 2 Jahre Pandemie, die Hälfte der Regierungszeit von Kurz – beide eng miteinander verbunden. Beides zeigt, wie sehr sich Politik, die Gesellschaft und vor allem unser Verständnis, was die Aufgaben eines Staates sind, massiv verändert hat.

Gecko – der verunglückte Name einer Einrichtung, die so tut, als würde sie sich nach internationalem Vorbild professionell der Pandemie-Bekämpfung widmen. Dabei ist es maximal ein weiterer Arbeitskreis in der bürokratisch-habsburgerischen Tradition, der in seiner Umsetzung ein wenig an ein Ernst Marischka-Drehbuch erinnert. Zu diesem passt auch die aktuelle Bundeskanzler Kommunikation: „Unsere Liebsten“ ist die meist verwendete Formulierung im Zusammenhang mit Weihnachten und Omikron-Massnahmen. Klingt komisch ist aber so.

Aber genau hier nähern wir uns einem Grundproblem, das uns nun seit dem Türkisen Weg und noch mehr seit dem Ausbruch der Pandemie begleitet:

Was ist die Aufgabe von Politik?

Was ist die Aufgabe des Staates?

Und vor allem: warum spielt der moralische Anspruch an Politik und seine ExponentInnen keine Rolle mehr sondern setzt erst beim Strafrecht ein?

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Lockdown – und jetzt?

Der Lockdown, in dem wir uns alle mehr oder weniger befinden (zumindest heute auf der Strasse auf meinem Weg zur Bäckerei war der Morgenverkehr wie immer), ist wirklich Ausdruck eines völligen Versagens der Verantwortlichen. Allerdings sehe ich die Verantwortung nicht ausschliesslich bei der Politik – auch andere wichtige Einrichtungen einer liberalen Demokratie haben dazu beigetragen, dass dieser Irrsinn (und ich verwende das Wort bewusst), eingetreten ist.

POLITIK UND MEDIEN

Nicht nur die Inseratenkorruptionsaffäre, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Medien und damit Käuflichkeit von Berichterstattung ist hier das Thema, das es auch wegen Corona massiv zu reflektieren gilt. Es geht auch darum, wie äquidistante und kritische Berichterstattung in einer liberalen Demokratie zu funktionieren hat. Da ist einerseits der Wettlauf mit den Sozialen Medien, der wohlgemerkt dazu führt, Fakten und Recherche im ersten Augenblick zugunsten Reichweite hintanstellen zu lassen.

Es wurde/ wird jede Meldung von nationalen wie internationalen Nachrichtenagenturen in Tickern und medieneigenen SOME-Kanälen verkommuniziert. Das hat auch zu einer grossen Verunsicherung in der Bevölkerung beigetragen – zusätzlich zu der volatile, unlogischen sich widersprechenden Regierungskommunikation.

Was ich damit meine? Beim Impfstoff zum Beispiel. Astra Zeneca, das zweifelsohne krisenkommunikativ völlig überfordert war, wurde durch solche Kurzmeldungen niedergeschrieben und quasi als Impfstoff ausgesetzt. (Abgesehen von den Lieferschwierigkeiten, die mE wiederum geostrategischen Gründe hatten). Ein Thrombosefall unter 100.000den – und schon war die Impfbereitschaft in den Keller gerasselt – nach anfänglicher Euphorie

Und: warum geben Medien Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen aber keine wissenschaftliche Ausbildung haben, eine Plattform zu ihrer PRIVATEN Meinung über die Impfung? Warum wird hier unbewusst oder auch bewusst eine Botschaft mitverbreitet, die sich offensichtlich und ohne Zweifel schlecht auf die Volksgesundheit auswirkt? Auf unser aller Verfasstheit und jenes des Staates?

POLITIK UND WISSENSCHAFT

Die herrschenden Wissenschaftsfeindlichkeit hat natürlich auch damit zu tun, dass bei uns das Virus von Anfang an politisiert wurde. Eine der beiden Regierungsparteien hat die Pandemie massiv dazu benutzt, die eigene politische Agenda weiter zu führen. Das hatte dann auch zur Folge, dass plötzlich bei RegierungsPKs Wissenschafter neben Politiker standen. Und im Auge des Konsumenten somit „die da oben“ gemeinsame Sache machen und Massnahmen, Impfungen „aufoktryieren“. 

Meines Erachtens ein Fehler. Wissenschaft ist ein Bereich des ständigen Austausches, Erweiterns, Hinterfragens etc. Wissenschaft ist evidenzbasiert, kann keine politischen Entscheidungen treffen. Genauso wie umgekehrt nicht. Ein Politiker, der mit medizinischen (Halb)wissen argumentiert, verlässt das ihm zugesprochene Terrain. Zuerst Wissenschaft, dann Politik. Wissenschaft stellt Status Quo und mögliche Entwicklungen dar – auf Basis dieser trifft Politik Massnahmen

POLITIK ALS SOLCHE

Ich habe seit 2017, also seit dem Erfolg des Sebastian Kurz, davor gewarnt, dass seine Art der Politik eine Art Nichtpolitik ist und die Politik als solches zerstört. Im Diskurs wie auch als Konzept und Bestandteil einer lebendigen liberalen Demokratie. Türkis ist ein populistisches Marketingkonzept, befreit von jedem ideologischen Anspruch bzw Besinnung auf christlich soziale Wurzeln (ich erinnere dabei an den Umgang mit der katholischen Kirche).

Als BürgerIn geht man wählen, weil man sich eine Politik wünscht, die die Probleme und Herausforderungen der Zeit erkennt, diese visionär angeht und heute sich schon das übermorgen überlegt. Und vor allem mit Verantwortung und Weitsicht den Herausforderungen unserer Zeit begegnet.

Nicht nach Umfragewerten schielt sondern das Notwendige für einen funktionieren Staat und zufriedenen Bürgern veranlasst. Besonders in Krisenzeiten ist die berühmte Weberische Verantwortungsethik eine politische Doktrin. Die wurde in der Regierung sträflich vernachlässigt, auch aufgrund der innerparteilichen Turbulenzen, die der Rückzug (?) von Kurz verursacht hat.

Bis heute sucht man in der Kommunikation Schuldige (Stichwort „Ungeimpfte“) anstatt einen konsensualen Kurs zu fahren, der auch das Vertrauen in die Politik wieder stärkt. Das Problem ist nämlich, dass gerade bei solchen Verhältnissen meistens radikale Strömungen mit monothematischer Agenda grossen Zuspruch erhalten (siehe M F G) und damit den demokratischen Prozess und die liberale Demokratie zusätzlich unter Druck setzen.

Politik gehört wieder in die Mitte der Gesellschaft und aufgeladen als spannendes, partizipatives Instrument einer parlamentarischen Demokratie, die die Interessen der Wähler vertritt mit Weitblick, ohne populistisches Terrain zu betreten. Dazu gehört auch eine starke Selbstreflexion, was Parteien eigentlich sind und welche Aufgabe ihnen zukommt ….

Jetzt geht es vor allem darum, konzise die Schritte für die nächsten Wochen zu kommunizieren. Weil wir uns jetzt in einer Übergangsphase befinden, die diesmal wirklich entscheidend ist.

Zum Nachsehen: Politik Live „Multiples Versagen der Politik?“ auf ORF 3 LINK

Die Wahl der Qual

Die Wahl der Qual – Der aktuelle Nationalratswahlkampf zeichnet sich diesmal durch eine mediale Überforderung und Überpräsenz aus. Rund 150 Auftritte werden die SpitzenkandidatInnen am Ende von #nrw19 absolviert haben. Eine Überforderung von Journalisten, Politikern und Wählern. Und auch der Demokratie.

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