Single Digital Market sucht Follower
Letzte Woche hat die EU-Kommission ihre Pläne zum Single Digital Market präsentiert. Eigentlich ein sehr wichtiger Schritt für die Wettbewerbsfähigkeit der EU und vor allem den notwendigen Innovationsschub. Eigentlich. Denn die Inhalte enttäuschen.
Bei den Plänen zum Single Digital Market zeigen sich auf den ersten Blick zwei Dinge: einerseits ist die Annäherung an das Thema analog und Web 1.0 statt Web 4.0. Und andererseits hat dieses Konzept keine Vision. Die Vorzüge der Europäischen Union, die Vielfalt, die Regionen werden mit keiner einzigen Massnahme unterstützt. Im Gegenteil: der Regionenschutz fällt weg, „Geoblocking“ nennt sich dies in dieser Sprache.
Geoblocking watch out
Für viele User auf den ersten Blick eine erfreuliche Entwicklung. Für die Wirtschaft ein nicht unbedrohlicher Zustand. Aus Sicht der Kommission ist es klar: die digitale Union soll das Rückgrat der anstehenden Kapitalmarktunion werden. Wieder einmal steht die Stärkung der Uniformierung vor dem Schutz der Individualisierung.
Ein konkretes Beispiel sind die Regionalbanken. Sie sind stark durch ihr Know How in ihrem regionalen Bereich, der Kenntnis des Wirtschaftsstandortes ihrer Region und Gemeinde. Sie wissen, welche Bedürfnisse und Erfordernisse die örtliche Wirtschaft hat. Ein wertvolles Gut, um mit einer wirtschaftlich erfolgreichen Region das Land und in weiterer Folge die Europäische Union stark zu machen. Die Regionen sind der Wachstumsmotor und die Stärke der EU. Und dennoch wird alles getan, um diese Stärke nicht auszuspielen.
Grünbuch wirft Schatten voraus
Das Geoblocking in der Strategie der Digitalen Union wirft bereits erste Schatten auf das geplante Grünbuch zur Retail Finanzierung voraus. Einer der Schwerpunkte wird die Crossborder-Finanzierung von Krediten sein oder auch Eröffnung von Girokonten und Sparbüchern (falls diese bis dahin durch Draghis Niedrigzinspolitik nicht ohnehin bereits Geschichte sind). Die Folgen sind jetzt schon klar: nur grosse, kapitalstarke Institute werden sich grenzüberschreitende Aktivitäten leisten können. Diese sind nicht unbedingt in den Reihen der Regionalbanken zu finden. Noch dazu, da einige Regionalbanken wie zb die deutschen Sparkassen, das Regionalprinzip verfolgen. Das bedeutet, dass sie nur in ihrer Region geschäftlich tätig sein dürfen. Man kann sich ausmalen, welcher Wettbewerb in einer Finanzgruppe ausbrechen wird. Und dass am Ende nur mehr die Starken übrig bleiben. Diese „Starken“ werden ihre Stärke allerdings nicht nur durch ihr Brot& Butter Geschäft erreicht haben. Womit wahrscheinlich am Schluss das Ende eines fast 2 Jahrhunderte alten Geschäftsmodells steht.
Wo ist die digitale Antwort Europas?
Dabei wäre es so einfach gewesen Massnahmen zu setzen, um die regionale Stärke Europas digital umzusetzen und zu unterstützen. Glasfaserausbau, Gratis Wlan, Unterstützungsprogramme für Digitalisierung der KMUs. Digitales Aufrüsten. Stattdessen wird eine Art digitales Schengen geschaffen. Ohne Konzept dahinter. Und vor allem Vision.
Apropos Vision: diese findet man in dem Papier nirgends. Keine Initiativen zur Schaffung eines europäischen Googles, Facebook, Twitters wie es andere Wirtschaftsräume bereits haben. (China, Russland). Stattdessen mehr Bürokratie, um die Vormachtstellung der amerikanischen Unternehmen zu unterbinden. Keine Versuche, ein europäisches Silicon Valley zu schaffen und damit den digitalen Brain Drain in die USA zu verhindern. Das Konzept der Digitalen Union lässt jeden gesellschaftspolitischen Ansatz vermissen. Keine Erwähnung der Social Data. Die Kernfrage und Stärke einer jeden digitalen Gesellschaft.
Die Digitalisierung ist eine einschneidende Entwicklung, die neue gesellschaftspolitische Phänomene schafft, ganze Wirtschaftszweige verschwinden lässt bzw neu erfindet. Die EU braucht endlich eine Strategie, um durch die Digitalisierung keinen Schaden und Nachteile zu erleiden sondern stark und wettbewerbsfähig zu werden. Der jetzt präsentierte Single Digital Market wird keine Follower haben.
„Technische Rationalität heute ist die Rationalität der Herrschaft selbst.“ Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung.
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