Türkiser Feinstaub

Es erinnert fast an ein meteorologisches Phänomen und seine Folgen: die Aufräumarbeiten der türkisen Ära in Österreich. Überall dort, wo sich der türkise Feinstaub gelegt bzw gesetzt hat, sind grossräumige Reinigungsarbeiten durchzuführen, um wieder an den ursprünglichen Zustand zu gelangen. Um durchatmen zu können. Obgleich die Frage ist, ob dieser wünschenswert ist.

Wie es ein Regiezufall will: Mai ist seit 2016 der politisch bewegendste Monat in Österreich. Und ausgerechnet an dem Tag, an dem wieder 2 Türkise Regierungsmitglieder ihren Abschied nehmen, weiss man, wieviele Menschen das Antikorruptionsvolksbegehren unterschrieben haben. Nämlich rund 300.000.

Antikorruption?

Ernüchternd, wenn man bedenkt, was in den letzten Wochen und Monaten an politischer Korrumpiertheit (und im Zusammenhang damit auch politischer Dreistheit bei den Erklärungsversuchen, siehe Wallner und Handy/ laptop) so aufgepoppt ist. Vorallem legt es ein Verständnis von Politik zu tage, das mit Politik als solche nichts mehr zu tun hat. Und schon gar nicht den Ansprüchen einer modernen liberalen Demokratie entspricht. Dort, wo sich der Türkise Feinstaub gelegt hat, war es vor allem das Streben nach Macht und Abhängigkeit bzw Bedienen der eigenen Klientel. Es ging nie um grosse Visionen und Würfe für das Land (maximal in der marketingstrategischen Auslegung) sondern um den eigenen persönlichen Vorteil. Und für jene, die diesem den Weg aufbereitet haben. Zugespitzt auf eine Person, eine Art verstandenen Heilsbringer, nämlich Sebastian Kurz.

Nun ist nach fast genau 5 Jahren dieses Projekt am Ende. Es hinterlässt sachpolitisch keinerlei Nachhaltigkeit. Jedoch hat es viele Wunde verursacht: in der Unabhängigkeit der Justiz und Medien, im Verständnis für das Wirken demokratischer Institutionen wie dem Parlament. Eine durch inkompetentes Personal verursachte Themengemengenlage, die einer dringenden Lösung bedarf. Keinerlei Reformen, keinerlei Visionen, keinerlei Strukturmassnahmen.

Alles neu

Und mitten drin muss sich nun die Volkspartei häuten und schälen und vor allem den Türkisen Feinstaub loswerden. Und das wird sie nur dann schaffen, wenn sie die andere „Volkspartei“, nämlich die Sozialdemokratie, dabei unterstützt. Die beiden sind kommunizierende Gefässe, die sich in einem gegenseitigen Wechselprozess reformieren und neu aufstellen können. 

Und es ist auch die Chance für Grün, Neos und die FPÖ, ihr Profil zu stärken und zu schärfen. Auch wenn immer die Ampelkoalition als Alternative angesehen wird – wichtig ist eine starke Opposition – auch das muss gelernt sein. Neos, FPÖ und Grüne sind prädestiniert dafür (Man sieht, wie es die Sozialdemokratie eigentlich nicht schafft seit 2017).

Der Türkise Feinstaub verflüchtigt sich. Ein Schwäche der Demokratie ist, dass dessen Proponenten nicht abgewählt werden können, weil sie sich vorab zurückziehen. Ihr Wirken bleibt konsequenzenlos und somit kann auch ihr „Narrativ“, ihre Geschichte des „Erfolges“ und der vielen Missverständnisse ins unendliche fortgesetzt werden.

Achtsam werden

Es liegt jetzt an uns allen, aus diesen letzten 5 Jahren zu lernen. Sich nicht von Inszenierung und Marketing täuschen zu lassen, näher und länger hinzusehen, kritischer und reflektierter zu sein, um unsere Demokratie stark und lebendig zu machen. Wir sehen gerade jetzt, wie gebrechlich diese Staatsform sein kann. Dafür braucht es Profis und Kompetenz, um sie wehrhaft zu halten. Und uns WählerInnen, die aufgrund des politischen Versagens der letzten Jahre eine Verantwortungsethik beim nächsten Urnengang Tage bringen sollten. 

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