Nina Hoppe - Strategia. Politica. media.

Trivium

Wie schon 1986 spaltet eine Bundespräsidentenwahl das Land. Damals legte diese Wahl den Grundstein für den Aufstieg eines Jörg Haider und seiner FPÖ. Sie leitete aber auch eine der produktivsten Jahrzehnte der österreichischen Innenpolitik unter sozialdemokratischer Führung ein, die sich gesellschafts-, kultur-, wirtschafts- und sozialpolitisch äusserte und unter anderem im EU-Beitritt mündete.

Und heute? Vielleicht war die erste Stichwahl noch ein Lagerwahlkampf. „Dank“ des VfGH Urteils ist es mitterlweile viel mehr geworden. Und offenbart teilweise auch schmerzlich den statischen Zustand der Politik in unserem Land.  2013 schafften gerade die aufkommenden NEOS diesen Zustand durchzurütteln. Mittlerweile droht diese Bewegung, wieder zu verebben.

Links gegen Rechts? Nein, offen liberal gegen Geschlossen in sich gekehrt

Der Bundespräsidentenwahlkampf, der jetzt wieder langsam in die Gänge kommt, ist ein sehr interessantes Beispiel dafür. Es geht nicht um einen Lagerwahlkampf, um Links gegen Rechts. Es geht um grundsätzliche Konzepte einer offenen liberalen Gesellschaft und Staates in einem vereinten Europa gegen ein geschlossenes, in sich gekehrtes nationales und ausschliessendes Konzept, das alles Fremde (inkl. EU) als Bedrohung sieht.

Das ist nicht links, das ist nicht rechts.  Die ÖVP behauptete von sich (zumindest bis vor kurzem) die einzige Europa-Partei zu sein. Angesichts der momentanen Politik ist das beinahe nicht nachvollziehbar. Ähnlich verhält es sich mit der SPÖ. Diese hat gemeinsam mit der ÖVP in den 90er Jahren den für Österreich wichtigen Schritt einer EU-Mitgliedschaft eingeleitet. (Unvergessen die Szene zwischen Aussenminister Alois Mock und EU-Staatssekretärin Brigitte Ederer).
Heute kritisieren SPÖ-Regierungsmitglieder Staatschefs anderer Länder für deren Flüchtlings-Politik. Das Nationale steht plötzlich wieder über dem Europäischen.

Im Gegensatz dazu waren gerade Die Grünen anfangs vehemente Gegner der EU und unter anderem  Alexander Van der Bellen hat viel zu ihrer proeuropäischen Ausrichtung beigetragen.
Ist die EU ideologisierbar? Nein, ist sie nicht bzw. sollte sie nicht sein. Die Wege zu einer besser funktionierenden, agierenden und handelsfähigeren EU mögen unterschiedlichen Konzeptionen unterliegen. Die EU als Idee und Vision hingegen nicht.

Es gibt kein „Rechts/Links ist gut bzw Rechts/Links ist schlecht“. Es ist das gegenseitige Einwirken, die Wechselwirkung und das Zusammenführen einzelner Ideen bzw Teile von Ideologien. Ein Beispiel in Österreich: die Ökosoziale Marktwirtschaft eines Josef Riegler, beeinflusst von der politischen Bewegung der Grünen.

Lack of Liberalism

Was sich auch noch schmerzlich herausstellt, ist die fehlende Tradition des Liberalismus in Österreich. Die Versuche vom LiF scheiterten, die NEOS kämpfen um dessen politische Einbettung und müssen sich als neoliberal kritsieren lassen (Ohne dass die meisten die wahre Begriffsgeschichte kennen).

Die bundespräsidielle Persönlichkeitswahl ist hierfür auch ein interessantes Beispiel: Van der Bellen wird von einem Verein unterstützt. Ein zentraler Kritikpunkt. Sein Anspruch: „Ich bin ein überparteilicher Kandidat.“ (Sein Terminus „unabhängig“ war eher unglücklich, das hat er auch dann selbst später so analysiert). Seine Botschaft: der Verein, der unabhängig von den Grünen agiert, steht für Unterstützungen von allen Seiten offen. (Dieses Konzept geht allerdings erst in der 3. (!) Wahlrunde wirklich auf.)

Zunächst waren es vorwiegend die Grünen, die Vdb finanziell unterstützten. Im ersten Wahlgang gab es ein „feines“ & kleines Personenkomitee (inklusive meiner Person), in dem sich kein einziger Grüner befand. Obwohl Persönlichkeitswahl, waren die Finanzgeber, in diesem Fall die Grünen, Thema. Österreichisch eben: wer zahlt, schafft an. Unabhängigkeit daher undenkbar.

Irmgard Griss hingegen wurde die Unabhängigkeit zugestanden. Weil sie zuvor noch keine politische Funktion innehatte.

Dass es generell bei einer Persönlichkeitswahl Parteikandidaten (VP, SP, FP)  mit einer Art Wahlzwang für Parteimitglieder- und funktionären gab, schien niemanden wirklich zu stören.

It is Persönlichkeitswahlkampf, stupid!

Dabei ist ein Verein als Plattform einer Persönlichkeitswahl unerlässlich und einziges Instrument, um Überparteilichkeit zu signalisieren. Dass Nachteile für Personen entstehen können, die sich nicht für den Kandidaten des Systems (welches ist das eigentlich jetzt? Die FPÖ, weil sie mehr oder weniger sicher in der nächsten Bundesregierung sitzen wird?) aussprechen bzw offen auftreten, führt weiters dazu, dass das Wort unabhängig und überparteilich in den Köpfen vieler nur dann funktionieren kann, wenn es keine politische Vergangenheit des Kandidaten gibt. Die in letzter Zeit viel zitierte „Neue Aufklärung“ ist dies jedenfalls nicht.

Durch die Gründung des Vereins zeigte VdB eine Distanz zu den Grünen und seine inhaltliche Unabhängigkeit auf. Dass Norbert Hofer dies nicht machte und sich weiter als FP-Kandidat positioniert und damit offensichtlich leichter zu Unterstützung gelangt (bzw zumindest nicht schwieriger als Van der Bellen), sagt auch vieles über den Zustand unseres Landes aus. Wollen wir überhaupt politisch Unabhängige mit eigener Haltung und Konzept?

Wir befinden uns auf einem Scheideweg. Lateinisch Trivium. Im Mittellateinischen wurde daraus der Begriff „Kreuzweg“ abgeleitet. Wir werden sehen, welche Begriffsbedeutung er am Ende für Österreich hat.

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